Teenager von damals

Baden mit den neuen Jeans – ein Muss
„Also abgemacht – Treffpunkt Zelgli um zwei!“, rief mir Ursula noch nach, und stopfte eilig ihre Bücher in die Schulmappe. Im Winter war für uns Teenager der aktuelle Treffpunkt auf der neuen Kunsteisbahn, die 1957 in unserer Stadt gebaut wurde. Schon damals musste man als Jugendlicher mit dem Trend der Zeit gehen, wenn man dazu gehören wollte, und auch damals gab es schon Modetrends. Nur, es waren nicht die Diktate, so wie sie es heute sind. Unsere Rollkragenpullis mussten einfach nur dick und handgestrickt und die Röhrlijeans möglichst eng sein. Und damit die Jeans wie eine zweite Haut an unseren Beinen klebten, setzte man sich mit den neu gekauften Hosen erst in die Badewanne, ins kalte Wasser. Damit lief der Stoff ein und passte sich perfekt den Körperformen an. Meine Jeans waren nach dieser Prozedur so eng, dass ich den Reissverschluss nur noch auf dem Bett liegend, mit eingezogenem Bauch, hochziehen konnte.

Auf der verzweifelten Suche nach einem grossen, unbesetzten Spiegel

Nicht nur die Kleidermode war vorgegeben, auch die Frisuren. Wir Mädchen toupierten unsere Haare zu Vogelnestern auf und besprayten das wirre Gebilde mit reichlich Haarlack. Wir schwärmten für Conny Froboess und Peter Kraus und rauchten heimlich die ersten Zigaretten. Auch bei beissender Kälte fuhren wir mit dem Velo zur Eisbahn. Aber bevor wir in der Garderobe unsere Schlittschuhe schnürten, verschwanden wir Mädchen erst mal in der Damentoilette. Dort herrschte reges Gedränge um den einzigen, winzigen Spiegel im halbdunklen Raum. Es wurde dämlich gekichert, geschubst und gedrängelt. Jede wollte ihre Augen mit schwarzem Lidstrich umranden und den Brauen einen noch eleganteren Schwung verpassen. Auf die Lippen wurden Schichten von hell rosa, oder perlmuttweissem Lippenstift aufgetragen. Unsere Gesichter wurden dadurch nicht schöner, dafür aber farbig und auffallend. Ob die männlichen Verehrer das überhaupt jemals gebührend beachteten, weiss ich nicht mehr, jedenfalls für unsere Selbstsicherheit war die Schminke und Haarlack unentbehrlich.

Mutter macht erfinderisch
So aufgetakelt durfte ich meiner Mutter nicht unter die Augen kommen, solche Albernheiten waren strikte verboten. Kam ich von der Eisbahn nach Hause, wurde mein Gesicht von Mutter inspiziert und mein Atem kontrolliert. „Hauch mich mal an!“ befahl sie und traute weder meiner aufgesetzten Unschuldsmine, noch meinen Beteuerungen, nicht geraucht zu haben. Für Zigaretten war kein Geld da, auch nicht für den Unsinn wie Haarlack. Die Schminke musste also fein säuberlich wieder aus dem Gesicht entfernt werden, auch der auftoupierte Turm auf dem Kopf flacher gedrückt sein, bevor ich mich nach Hause getraute. In der schummerigen Damentoilette begann deshalb das ganze Prozedere in umgekehrter Reihenfolge. Jetzt wurde gewaschen, gebürstet und gesalbt, bis keine Spur mehr von Schwarz und Lippenstift im Gesicht übrig blieb. Nur – die schrubbende Zahnbürste und die nun gut durchblutenden Lippen verrieten mich.

Nie wieder werde ich klauen!
Damit meine hochtoupierte Frisur den Winternachmittag auf der Eisbahn überstand, brauchte es viel Haarlack. Deshalb musste ich einen Umweg zu Grossmutter einplanen, denn in ihrem Schlafzimmer stand auf der Kommode eine Dose Haarspray. Doch der Umweg war immer auch ein Zeitverlust, und zudem begann mir Grossmutter immer öfter unangenehme Fragen zu stellen: „Wieso fährst du nie direkt zum Sport?“ Was sollte ich tun? Den Haarlack einfach stehlen? Und weil sich mein Gewissen nicht meldete, liess ich die Dose eines Nachmittags kurzerhand in meine Schlittschuhtasche verschwinden. Sie gehörte jetzt mir. Für was schon braucht eine alte Frau schon Haarlack? Aber Grossmutter sah das ganz anders und stellte mich bei meinem nächsten Besuch zur Rede. Sie liess nicht locker und wollte mir unbedingt eine Beichte abringen. Frech log ich: „Ich habe keine Ahnung, wo dein Haarlack hingekommen ist!“ Ich hoffte, dass sie sich eines Tages die Schuld geben würde, sie hätte wohl die Dose selber verlegt. Leider vergass Grossmutter nicht. Sie beschuldigte sich auch nicht selber, sondern sorgte dafür, dass mich mein schlechtes Gewissen noch lange plagte. Das peinliche Gefühl ihr gegenüber verfolgte mich noch lange, aber geklaut habe ich nie wieder.


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